Die Grüne Landtagsabgeordnete Filiz Polat hatte nach einer Diskussionsrunde mit der IG und betroffenen Bürgern eine sog. "Kleine Anfrage" zum geplanten Containerhafen an das Niedersächsische Wirtschaftsministerium gestellt.
Vor einiger Zeit kam eine Antwort, die uns allerdings so dermaßen unlogisch erschien, dass wir mehrmals nachhakten. Zurzeit findet anscheinend eine Diskussion zwischen Filiz Polat und dem Wirtschaftsministerium statt. Wir wollen trotzdem die Antwort und unsere Kritik veröffentlichen:
Unsere Kritik
In einer Vorbemerkung stellt das Ministerium fest, dass es sich bei der Kritik anscheinend hauptsächlich um ein Kommunikationsproblem handele und verspricht, in Zukunft Irritationen zu vermeiden und „alle Fragen“ beantworten zu wollen.
Sachliche Kritik auf ein „Kommunikationsproblem“ zu reduzieren, beantwortet nicht das Problem, sondern weicht ihm aus. Denn es handelt sich eindeutig um ein sachliches, kein kommunikatives Problem, wenn Brücken für einen wirtschaftlichen Containertransport zu niedrig sind, trotzdem aber an dieser Stelle ein Containerhafen gebaut und öffentlich gefördert werden soll. Ein noch sachlicheres Problem kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Ein Kommunikationsproblem wird es erst auf zweiter Ebene durch die ausweichenden Antworten des Ministeriums.
Ganz grundsätzlich ist die Ministeriumsantwort nicht geeignet, Transparenz und Sachlichkeit in den Prozess zu bringen. Im Gegenteil, betrachtet man allein die sprachlichen Formulierungen, ohne auch nur einen sachlichen Aspekt zu berücksichtigen, ist man schon frustriert.
Zu geringe Brückenhöhen für wirtschaftlichen Containertransport
Das Ministerium geht nicht auf die mangelnden Brückenhöhen des nordwestdeutschen Kanalsystems ein, sondern bezeichnet lediglich die Brücken über den Dortmund-Ems-Kanal (DEK) als „betriebliche Einschränkungen“ für den Containertransport. Diese Formulierung verschiebt die Problematik auf die betrieblichen Akteure (Speditionen, Schiffer, Betreiber), beschränkt sie auf den DEK und impliziert, dass es ein regionales Problem des DEK sei, und dass eine geschickte Betriebsführung dort die Problematik beseitigen könne.
Das ist falsch und irreführend. Die Brückenhöhen sind ein objektives, technisches und sehr reales Faktum, das das Kanalnetz insgesamt, insbesondere das nordwestdeutsche betrifft. Die Brücken sind tatsächlich und wirklich da. Daraus resultiert, dass Container in vielen Bereichen nur ein- oder zweilagig transportiert werden können. Davon ist wiederum die Menge der transportierten Container auf den Schiffen abhängig, durch die wiederum die Erlöse generiert werden. Diese Barriere kann nicht durch eine noch so schlaue Betriebsführung aufgehoben werden, sie ist ein grundsätzliches, strukturelles Problem.
Die Ministeriumsantwort formuliert weiter, dass wir, „die Kritiker“, einen vierlagigen Transport gefordert hätten. Das ist falsch. Wir haben lediglich Angaben der Binnenschifffahrt zur Rentabilität zitiert. In der Containerbinnenschifffahrt sind drei und vier Lagen rentabel, bei zwei Lagen entsprechen die Erlöse etwa den Betriebskosten und sind finanziell grenzwertig, bei einer Lage sind die Kosten höher als die Erträge. [1] Auch hier ist es ähnlich wie bei den mangelnden Brückenhöhen, das ist wirklich und tatsächlich so, das ist keine Forderung von uns (auch wenn diese Interpretation im Ministeriumsschreiben nahe gelegt wird), das sind objektive und harte wirtschaftliche Fakten.
Wenn das Wirtschaftsministerium nun schreibt, dass es ein- und zweilagige Containertransporte zur Grundlage für das Ziel mache, um mehr Güterverkehr auf die Wasserstraßen zu verlagern, bedeutet das, dass es eine unwirtschaftliche Transportmethode fordert. Das ist zwar unbenommen und einem Ministerium zugestanden. Allerdings hat es bislang auf keiner politischen Ebene ernsthafte Diskussionen über die dann dauerhaft notwendigen Subventionen, über mögliche Pflichtnutzungen von Wasserstraßen, EU-weite Regelungen und die wirtschaftlichen Folgen dieser Politik gegeben. Geschweige denn Entscheidungen. Es gibt nicht einen einzigen Hinweis für eine dauerhafte Bevorzugung der Binnenschifffahrt gegenüber dem Straßenverkehr.
Im Gegenteil! Im aktuell beschlossenen Bundesverkehrswegeplan 2030 sollen 49,3% für das Straßennetz, 41,6% für das Schienennetz und lediglich 9,1% für Wasserstraßen ausgegeben werden.
Und es kommt noch dicker: In der „Übersicht über die laufenden Vorhaben und die für den Bundesverkehrswegeplan vorgeschlagenen Vorhaben“ des Bundesverkehrsministeriums vom 11.5.2015 sind sämtliche Projekte zur Verbesserung von Brückendurchfahrtshöhen schon „auf Basis der Vorüberlegungen ausgeschieden“.[2]
Das heißt: Auf Bundesebene werden nicht nur über 90% der verfügbaren Mittel für andere Verkehrsträger als für Wasserstraßen ausgegeben. Die verbleibenden 9% werden zudem weder genutzt, um das strukturelle Problem der Brückendurchfahrtshöhen anzugehen, noch um Ersatzmaßnahmen zu ergreifen, um diesen Nachteil anderweitig auszugleichen. Die Projekte sind ganz einfach und ziemlich zu Beginn der Diskussion „ausgeschieden“, ohne es überhaupt in eine engere Wahl geschafft zu haben.
Wir sehen daher unsere Kritik bestätigt, dass ein wirtschaftlicher Containertransport auf dem Wasser in dem Bereich nicht möglich und ein wie immer gearteter politisch motivierter Ausgleich nicht geplant ist. In diesem Zusammenhang bewerten wir die Aussage des Ministeriums, dass dann eben ein- bis zweilagige Containertransporte ausreichend seien, entweder als trotzige Naivität, oder als bewusste Irreführung.
Und noch etwas: In dem Schreiben findet eine seltsame Verbrüderung statt, indem „unser gemeinsames Ziel, mehr Güterverkehr auf die Wasserstraße zu verlagern“ betont wird. Das ist zwar ein schönes Ziel, dem viele – auch wir – zustimmen werden, beantwortet allerdings nicht unseren Einwand der unzureichenden Brückenhöhen. Wir hatten ja gerade nicht das Ziel infrage gestellt, sondern im Gegenteil verwundert festgestellt, dass dieses Ziel an diesem Standort aufgrund der mangelnden Brückenhöhen gar nicht zu erreichen ist. Der Text geht darauf nicht ein.
[1] vgl. u.a.: Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (Hg): Norbert Kriedel: Die Marktsegmente des Güterverkehrs in der Binnenschifffahrt. Eine Analyse ihrer Entwicklungstendenzen unter besonderer Berücksichtigung des Containerverkehrs. = Bericht des Wirtschaftsausschusses der ZKR, Analyse und Bewertung der strukturellen Tendenzen auf dem Binnenschifffahrtsmarkt. Straßburg, 2013, S. 15.
[2] "Übersicht über die laufenden Vorhaben und die für den Bundesverkehrswegeplan vorgeschlagenen Vorhaben"
„Auf Basis der Vorbewertung ausgeschieden“ sind u.a.:
- Projekt W07 Mittellandkanal: „Verbesserung der Brückendurchfahrtshöhen für den Containerverkehr auf der Relation Magdeburg-Hannover-Minden – Varianten: 2- /3-Lagigkeit“ zur „Verbesserung der wirtschaftlichen Befahrbarkeit für Containerverkehre auf den Kanalrelationen“.
- Projekt W15 Mittelweser: „Verbesserung der Brückendurchfahrtshöhen für den Containerverkehr auf der Relation Bremen-Minden“.
- Projekt W16 Rhein-Herne-Kanal / Dortmund-Ems-Kanal: „Verbesserung der Brückendurchfahrtshöhen für den 2-lagigen Containerverkehr auf der Relation Duisburg-Dortmund“.
- Projekt W17 Wesel-Datteln-Kanal: „Verbesserung der Brückendurchfahrtshöhen für den 2-lagigen Containerverkehr auf der Relation Wesel-Minden-Hannover“.
- Projekt W20 Dortmund-Ems-Kanal / Mittellandkanal: „Verbesserung der Brückendurchfahrtshöhen für den 2-lagigen Containerverkehr auf den Relationen Emden-Minden-Hannover und Emden - Dortmund.“
- Projekt W21: „Verbesserung der Brückendurchfahrtshöhen für den 2-lagigen Containerverkehr auf RHK, WDK, DEK (-Süd und Henrichenburger Haltung) und DHK.“
- Projekt W22: „Verbesserung der Brückendurchfahrtshöhen für den 2-lagigen Containerverkehr auf den Relationen Wesel-Hamm und Wesel-Dortmund“.
Umschlagszahlen und Wirtschaftlichkeit
Auch hier ist die Ministeriumsantwort ungenau und irreführend. In unserer Frage hatten wir dargestellt, dass die von den Projekt-Befürwortern prognostizierten Umschlagszahlen derart eklatant von den derzeitigen abweichen (Prognose: 50.000 TEU pro Jahr – Realität: 143 Stück im Jahr 2012), dass wir sie als sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich einstufen.
Eine Antwort auf diese Abweichung fehlt. Stattdessen bezieht sich das Ministerium auf die positiv entschiedene Klage des Konkurrenzhafens Zerhusen gegen die Subventionierung des geplanten Containerhafens. Das war aber nicht die Frage. Wir hatten unsere Kritik mit sehr deutlichen Zahlen belegt, das Wirtschaftsministerium weicht diesen Zahlen aus.
Was aber die Klage der Fa. Zerhusen angeht, haben wir das gerichtlich festgestellte Fehlverhalten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion sowie das der beteiligten Gebietskörperschaften angeprangert. Auch hier weicht das Ministerium aus und verweist auf die Zuständigkeit des Bundes.
Trimodalität und Konkurrenz Bohmte - Osnabrück
Wir haben kritisiert, dass die von den Hafen-Befürwortern behauptete Trimodalität keine ist und dies auch ausführlich belegt.
Die Antwort des Ministeriums ist ein schönes Beispiel für verbale Konfusion. Statt auf unsere Kritik einzugehen, wird eine Definition von „trimodal“ geliefert, die Minus als Plus umdefiniert („Die Entwicklung des GVZ Osnabrück mit dem Teilstandort Bohmte ist keine Abkehr, sondern eine Zuwendung zur Trimodalität“). Zur Begründung dieser begrifflichen Umdeutung wird der höchst unverständliche Satz nachgeschoben: „Während in Osnabrück die Sicherung des Wasserumschlags im Bestand und weiterhin der Schiene-Straße-Umschlag erfolgt, findet in Bohmte die Entwicklung mit Fokus Containertransport statt.“
Würde man das Ministerium an seinem eigenen eingangs formulierten Anspruch messen, Irritationen zu vermeiden, hätte man das Schreiben schon längst zurückweisen müssen. Macht man das aber nicht und versucht insbesondere diesen Satz zu ergründen, stellt man fest, dass er eigentlich unsere Auffassung bestätigt, auch wenn er seltsam formuliert ist und Äpfel mit Birnen vergleicht:
Am Osnabrücker Hafenkai wird Massengut umgeschlagen, in erster Linie Sand, Kies und Schrott, ein Containerumschlag findet dort nicht statt. Das soll sich in Zukunft auch nicht ändern, sondern in Bohmte passieren. Im Grunde wird genau das durch diesen ominösen Satz bestätigt, der im Kern aussagt: In Osnabrück soll weiterhin Massengut von / auf Schiffen umgeschlagen werden (Äpfel), in Bohmte Container (Birnen). Genau das war aber unsere Kritik, weil das keine Trimodalität ist. Das sind zwei unabhängige Häfen mit unterschiedlich Aufgaben. „Trimodalität“ ist ein Begriff aus dem Kombinierten Verkehr (KV), worunter insbesondere der Containertransport auf drei unterschiedlichen Verkehrsträgern verstanden wird. Also per LKW, Zug oder per Schiff. Ein Hafen ist trimodal, wenn er die Möglichkeiten dazu anbietet. Wenn nicht, dann nicht. Also bestätigt der Satz, dass weder der Osnabrücker, noch der geplante Bohmter Containerhafen trimodal sind.
Und dann kommt noch eine besonders krude Argumentation ins Spiel: Trimodalität sei eigentlich überbewertet, weil man entweder die Schiene oder die Wasserstraße als Langstreckenmedium brauche, also nicht beides, die Straße hingegen nur zur Kurzstrecke. Daher würden der Schiene-Straße-Umschlag oder der Wasser-Straße-Umschlag (also eine Bimodalität) eigentlich doch auch ausreichen.
Damit befindet sich das Niedersächsische Wirtschaftsministerium im direkten Widerspruch zur Niedersächsischen Landesregierung (also zu sich selbst), weil im Niedersächsischen Landes-Raumordnungsprogramm (LROP) genau diese Trimodalität für den Standort Bohmte gefordert wird.
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