Parallel zur Europaratswahl finden am 26. Mai Landratswahlen im Landkreis Osnabrück und Bürgermeisterwahlen in Bohmte statt.
Beide Wahlen sind auch für das Bohmter Hafenprojekt von Bedeutung, denn Landkreis und Kommune engagieren sich bei dem Thema sehr stark. Der amtierende Landrat Dr. Lübbersmann ist Aufsichtsratsvorsitzender der Hafenentwicklungsgesellschaft HWL-GmbH, der Bohmter Bürgermeister Goedejohann Geschäftsführer. Der Kreis hält 50% der Gesellschaftsanteile, die Gemeinde Bohmte 37,5%.
Für mündige Bürger ist es daher von großem Interesse, wie die Kandidaten zu dem Hafenthema stehen. Wir haben alle Kandidaten zu einer schriftlichen Stellungnahme gebeten.
Tanja Strotmann
Frau Strotmann kandidiert für das Amt der Bohmter Bürgermeisterin. Sie tritt als unabhängige Kandidatin an und wird von CDU, Grüne und Linke im Gemeinderat unterstützt:
"Als ich Anfang 2016 in die Gemeinde Bohmte kam, war der Ratsbeschluss für dieses Projekt bereits gefällt und die Planungen schon fortgeschritten. Als Erste Gemeinderätin und Fachdienstleiterin für den Fachdienst Zentrale Aufgaben und Bürgerservice fällt das Hafenprojekt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, auch vertrete ich Herrn Goedejohann nicht in seiner dortigen Funktion.
In der Podiumsdiskussion der Werbegemeinschaft am vergangenen Dienstag hat sich Herr Rehme klar für beide Hafenprojekte ausgesprochen. Den Bestandshafen wieder zu aktivieren halte ich ebenfalls für sinnvoll. Zum Containerhafen existieren derart unterschiedliche Auffassungen, dass aus meiner Sicht eine konkrete Einschätzung ohne „Insider-Wissen“ nicht möglich ist.
Als Bürgermeisterin werde ich mich mit dem Thema kritisch auseinandersetzen und mir ein umfassendes Bild machen, alle vorliegenden Untersuchungen und Gutachten einbeziehen, alle bestehenden Bedenken anhören und mir eine freie unvoreingenommene Meinung bilden. Diese werde ich mit Nachdruck im Gemeinderat und gegenüber der HWL vertreten."
Thomas Rehme
Herr Rehme tritt ebenfalls als unabhängiger Kandidat für die Bürgermeisterwahl an, ist allerdings Fraktionsvorsitzender der SPD im Gemeinderat sowie der SPD-Fraktion im Kreistag.
"Wir haben ja bereits mehrfach über das Thema besprochen. Die Verlagerung von Gütern auf die Wasserstraße ist grundsätzlich ja sehr sinnvoll und richtig.
Die neue Studie bzw. die entsprechenden Argumente werden natürlich in die weiteren Beratungen einfließen. Ich werde als Bürgermeister die wirtschaftlichen und sonstigen Daten genau prüfen müssen, um anschließend die bisherigen Planungen bewerten zu können. Die bisherigen Planungen zum Bau des Containerhafens werde ich - nach Vorlage und Durchsicht aller Unterlagen - genau prüfen. Im Gegensatz zum bisherigen Bürgermeister und seiner Stellvertreterin in der Verwaltung möchte ich nicht einfach - weiter so und mit dem Kopf durch die Wand.
Der Ausgang des Klageverfahrens vor dem OVG hat daneben natürlich die entscheidene Rolle. Sollte das OVG-Verfahren erfolgreich sein, ist für mich, die Planung und das Thema erledigt."
Beide Bürgermeisterkandidaten äußern sich leider recht schwammig. Die Fakten liegen schon seit geraumer Zeit auf dem Tisch. Wem das Thema wichtig ist, der oder die hätte sich schon längst eine Meinung bilden können. Das gilt umso stärker für Herrn Rehme, der die Planung, die er prüfen will, eigentlich sehr gut kennen müsste, weil er sie in Gemeinderat und Kreistag mitbeschlossen hat.
Anna Kebschull
Frau Kebschull (Grüne) kandidiert für das Amt der Landrätin des Landkreises Osnabrück.
"Der Landkreis Osnabrück hat zusammen mit den Gemeinden Bad Essen, Ostercappeln und Bohmte eine Hafenentwicklungs- und -investitionsgesellschaft (HWL-GmbH) gegründet und mit 20 Mio. € ausgestattet, die einen Containerhafen am Mittellandkanal in Bohmte bauen will. Die HWL-GmbH argumentiert, damit Gütertransporte von der Straße aufs Wasser zu verlagern und präsentiert hohe Erwartungen (im Jahr 2013 prognostizierte sie 72.000 Ladeeinheiten pro Jahr, inzwischen 46.000), ohne jedoch diese Zahlen zu belegen.
Die Containerhafenplanung stößt auf Kritik. Hauptkritikpunkt sind die geringen Brückendurchfahrtshöhen, die den Containertransport auf Binnenschiffen unrentabel machen. Deshalb finden auch kaum Containertransporte auf den nordwestdeutschen Kanälen statt.
Die Kritik wird inzwischen durch ein Gutachten des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Uni Münster gestützt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass an dem geplanten Standort höchstens 7.000 Einheiten pro Jahr umgeschlagen werden können und der Bau eines Containerhafens keinen Sinn macht.
Diese Kritik teile ich, ein wirtschaftlicher Betrieb des Containerhafens in Bohmte wird nicht möglich sein. Die Idee, Güter aufs Wasser zu bringen, ist grundsätzlich sehr sinnvoll, wenn das aber in diesem konkreten Fall aber gar nicht wirtschaftlich möglich ist, drängt sich die Frage auf, warum der Hafen dennoch gebaut werden soll. Das Geld wäre blockiert und stände dann für wirklich hilfreiche Projekte nicht mehr zur Verfügung. Ich habe den Eindruck, dass hier schnell alte Ideen in Beton gegossen werden sollen, nach einem alten Verständnis von Macht und Wohlstand. Dass diese Ideen nach aktuellen Kriterien nicht mehr richtig für die Zukunft sind wird ignoriert, oder gibt es andere Gründe und Vorteile durch einen erweiterten Hafen mit neuen Industrieflächen?
Fakt ist, dass der Transport von Massengütern, Schüttgut oder Schwergut, der nicht von der Brückenproblematik betroffen ist, jetzt schon im großen Umfang auf dem Mittellandkanal stattfindet. Die dazu notwendige Infrastruktur ist vorhanden. Wir haben hier in der Region alle 6,4 Kanalkilometer einen Hafen, zusätzlich noch weitere leerstehende oder ungenutzte Anlegestellen. Diese Häfen sind zu stärken, der Bau eines weiteren Hafens ist überflüssig.
Als Landrätin werde ich die nötigen Schritte einleiten um die Planung zu stoppen und das Geld in sinnvolle Verkehrsprojekte zu investieren."
Dr. Horst Baier
Herr Baier kandidiert ebenfalls für das Amt des Landrates. Er tritt als unabhängiger Kandidat an, ist aber SPD-Mitglied.
"Der Hafen Bohmte wird intensiv vom Landkreis Osnabrück zusammen mit den Gemeinden im Wittlager Land vorangetrieben. Ziel ist auch die Entwicklung eines Containerhafens. Der Landkreis trägt 50% des wirtschaftlichen Risikos. Der Verlust der Hafengesellschaft lag 2017 bei über 400T€ und soll laut Wirtschaftsplan auf über 500T€ ansteigen. Der Verlustausgleich ist viel Geld für die Gemeinden. 20 Mio € Investition wurden genannt. Wann positive Zahlen zu erwarten sind, ist öffentlich nicht bekannt. Der Jade-Weser-Port macht deutlich, dass hier viele Jahre ins Land gehen werden. Sofern es überhaupt glückt. Güter auf die Schiene und das Wasser zu bringen ist grundsätzlich positiv, wenn es funktioniert. Als Kaufmann war ich etwas überrascht über die Aussage vom Landrat Lübbersmann in der Podiumsdiskussion in Bad Essen, er sei zu 100% sicher, dass der Hafen ein Erfolg wird. Hier ist der Wunsch Vater des Gedankens. Eine solche Aussage ist sehr gewagt. Es gibt viele Risiken, die zu einem Grab für Steuergelder führen können:
- Die Strecke nach Rotterdam ist nicht wettbewerbsfähig wegen niedriger Brücken.
- Die Strecke nach Bremerhaven und Hamburg kann auf absehbare Zeit nur zweilagig gefahren werden. Folge sind hohe Kosten für Kunden und geringe Nachfrage.
- In Kürze geht ein Containerhafen in Minden and Netz und nimmt Kunden weg. Minden liegt näher an den Häfen und kann günstiger anbieten.
- Osnabrück baut eine KLV-Anlage LKW- Schiene. Ebenfalls eine Konkurrenz zu Bohmte.
- Beim Anblick der Gebäude würden mich die Abrisskosten interessieren. Sind die seriös kalkuliert?
- Die Bedarfsstudie ist leider nicht zugänglich. Die Beraterfirma Railistics habe ich in Ankum auch beauftragt. Die Befragten hatten grundsätzlich Interesse an einem Schienenverkehr, haben aber bei konkreten Angeboten den Rückzug angetreten. Das Gutachten ist wahrscheinlich keine verlässliche Basis. Oder gibt es schon verbindliche Vorverträge?
- Ein Containerhafen wird viel Verkehr anziehen, der aktuell schon eine Belastung ist.
- Ein Betreiber wird nach meiner Einschätzung dauerhafte finanzielle Hilfen benötigen.
Insgesamt ein Projekt mit hohen finanziellen Risiken. Leider gibt es nicht genügend Informationen für eine solide Aussage. Daher sind meine Hinweise nur Einschätzungen.
Als Landrat würde ich für Transparenz sorgen und alle Annahmen überprüfen. Die Ergebnisse sind öffentlich zu machen. Wenn es keine Chance auf einen rentablen Hafen gibt, müssen die Gemeinden entscheiden, wie es weitergeht. Ein einfaches Gewerbegebiet wäre vielleicht eine Option. Häfen gibt es schon eine Menge im Osnabrücker Land."
Frank Vornholt
Herr Vornholt tritt ebenfalls als unabhängiger Landratskandidat an. Er ist kein Mitglied einer politischen Partei.
Leider haben wir bislang keine schriftliche Stellungnahme zum Bohmter Containerhafenprojekt von ihm bekommen, er hat sie allerdings angekündigt, wir werden sie hier veröffentlichen, sobald wir sie haben.
Aus der Podiumsdiskussion am 13. Mai wissen wir aber, dass er die Intransparenz des Projekts kritisiert und betont, die Bevölkerung im Planungsprozess stärker beteiligen zu wollen. Eine eindeutige Positionierung für oder gegen den Containerhafen hat er aber nicht abgegeben.
Nachtrag: Am 21.5: hat uns Herr Vornholt folgenden Text geschickt.
"Frank Vornholt, unabhängiger Landratskandidat hält die vorliegende Untersuchung der Uni Münster für schlüssig und nachvollziehbar. Dies lässt berechtigte Zweifel aufkommen, ob die gegründete
Hafengesellschaft und die damit begonnenen Planungen für den Containerhafen auf einer soliden Basis erfolgt sind. Insgesamt ist der gesamte Prozess nicht transparent. Er plädiert dafür, dass neue
Infrastrukturprojekte an bereits bestehende Strukturen angebunden werden müssen und nicht auf der "grünen Wiese" neu errichtet werden. Mit allen negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die
Bevölkerung. Er wird sich daher für die Einstellung der weiteren Planungen einsetzen und auf der Grundlage der bereits eingegangenen Verpflichtungen gemeinsam mit den Gemeinden und den Bürgern
eine Umplanung, sofern rechtlich möglich eine Einstellung, vorsehen. Dafür muss jedoch erst einmal ein valider Sachstand vorliegen, um das vernünftig beurteilen zu können."
Dr. Michael Lübbersmann
Herr Lübbersmann ist der amtierende Landrat, er kandidiert für eine weitere Amtszeit. Er ist Mitglied der CDU.
Herr Lübbersmann hat unsere Bitte um eine Stellungnahme ignoriert. Wie er bislang leider alle unsere Bitten und Fragen ignoriert hat.
Auf der Podiumsdiskussion am 13. Mai sagte er aber, dass er sicher sei, dass der Containerhafen ein Erfolg werde. Der Hafen in Spelle sei dafür ein gutes Vorbild, die vorgelegten Zahlen seien gerichtlich bestätigt worden und Firmen in der Region, z.B. die Fa. Leiber aus Bramsche, würden den Hafen fordern.
Leider stimmt keine der Aussagen mit der Realität überein. In Spelle werden überhaupt keine Container umgeschlagen, es handelt sich um einen reinen Massen- und Schwerguthafen. Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat in seinem Urteil vom 23. September 2014 die Förderung des Containerhafens aufgrund der vorgelegten Umschlagszahlen widerrufen. Und die Firma Leiber hat ihren Standort direkt neben dem Hafen in Bramsche, sie fordert keinen Containerhafen, würde ihn aber evtl. als Zwischenlager nutzen wollen, weil ihr Betriebsgelände zu klein ist.
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