Zur Wirtschaftlichkeit von Binnenhäfen

Eine Antwort nicht nur für "Rolf"

Ein Kommentar von "Rolf" auf unserer Seite hat uns dazu gebracht, die Wirtschaftlichkeit der Binnenhäfen in Minden, Hannover und Braunschweig zu untersuchen:

Rolf (Freitag, 07 Juni 2019 16:30)

Fraglich ist dann aber für mich, wie die Containerhäfen Minden, Hannover, Braunschweig etc. die alle den selben Weg haben, wirtschaftlich betrieben werden können? Das Minden gut läuft, geht ja auch das Münsteraner Studie hervor. Die Schiffe fahren als Schubverbände oder Europaschiff (steht u.a. auch in der Studie) über den Elbe-Seiten-Kanal...und die niedrigen Brücken scheinen ja auf der Strecke nicht zu sein.

Zu Deiner Frage möchten wir antworten:

Die Häfen in Minden, Hannover und Braunschweig liegen zwar alle am Mittellandkanal, haben aber erhebliche Standortvorteile gegenüber Bohmte. Minden liegt am Wasserstraßenkreuz Weser/MLK, Braunschweig am Dreieck Elbe-Seitenkanal/MLK, Hannover ist Landeshauptstadt. Mit der Volkswagen AG (Hannover) und der Salzgitter AG (Braunschweig) nutzen dort sehr große Industriebetriebe diese Häfen.

Trotzdem scheint der Betrieb all dieser Häfen nicht wirtschaftlich zu sein (was im Übrigen in der Münsteraner Studie auch keineswegs behauptet wird!)

Die Mindener Häfen werden durch die „Mindener-Hafen-GmbH“ betrieben. Laut deren Wirtschaftsplan 2016 (Plan 2017-2022) macht die GmbH nur Gewinn durch die Beteiligungen an anderen Firmen (z.B. Westfalen Weser Energie GmbH & Co KG). Ohne Beteiligungen – also im Hafenbetrieb und ohne RegioPort – ergeben sich p.a. durchschnittliche Verluste von ca. 1 Mio. Euro. Für den geplanten Containerhafen „RegioPort“ wird auch mittelfristig (bis 2022) kein Gewinn erwartet. Dort ergeben sich Verluste von 158.452 € bis 538.929 €, durchschnittlich also ca. 350.000 € p.a., die aufgefangen werden müssen. Zu beachten ist, dass ein erheblicher Teil des Hafenbetriebs in Minden nicht den Schiffsumschlag betrifft, sondern zwischen Bahn und LKW erfolgt.

In Bohmte ist ein Bahnanschluss nicht vorgesehen.

Wirtschaftlichkeitsberechnung Mindener Hafen nach dem Wirtschaftplan 2016
Wirtschaftlichkeitsberechnung Mindener Hafen nach dem Wirtschaftplan 2016

Hafen Hannover

 

Die Unternehmensgruppe „Hafen Hannover“ besteht aus dem Eigenbetrieb „Städtische Häfen Hannover“, der die Standorte Lindener Hafen und Nordhafen betreibt, und den Beteiligungsgesellschaften „Hafen Hannover GmbH“ (Beteiligung am Standort Brink und der „Misburger Hafengesellschaft“ mbH mit 39,7% am Standort Misburg). Die Gruppe betreibt nicht nur Schiffs- und Kranumschlag, sondern auch Eisenbahngüterverkehr, logistische Dienstleitungen und Immobilienmanagement. Container werden in Linden und im Nordhafen umgeschlagen.

In der Bilanz 2017 der Städtischen Häfen wird zwar ein Anstieg des Containerverkehrs verbucht, Gewinne werden damit aber nicht gemacht. Das Ergebnis für 2017 weist für den Hafenbetrieb einen Verlust von 735.500 € aus. Damit ist der Verlust höher als im Vorjahr (553.900 €), in dem weniger Container umgeschlagen wurden. Die Verluste im Hafenbetrieb werden durch Gewinne im Immobilienmanagement ausgeglichen.

 

 

Braunschweig

Der Braunschweiger Hafen wird durch die städtische „Hafenbetriebsgesellschaft Braunschweig mit beschränkter Haftung“ durchgeführt.

Im Beteiligungsbericht der Stadt Braunschweig 2019 wird der Hafen auf S. 55-61 behandelt (Kopie s.u.).

Auf den ersten Blick scheint der Betrieb des Hafens tatsächlich wirtschaftlich zu erfolgen. Leider sind die Zahlen aber sehr komprimiert dargestellt, sodass eine genauere Analyse damit nicht möglich ist. Auch sind wir keine Wirtschaftsexperten.

Es gibt aber deutliche Hinweise auf eine mangelnde Rentabilität. So wird im Abschnitt "Betrauung" des Beteiligungsberichts über die Kollision einer „Beihilfe“ mit dem EU-Recht berichtet. Es scheinen also (erhebliche?) Fördermittel in den Hafen zu fließen, die in der Gewinn- und Verlust-Darstellung leider nicht gezeigt werden.

Ein weiterer Hinweis auf eine Subventionierung des Hafens ist der

„Sonderposten für Investitionszuschüsse" in Höhe von 5.186.000 € (40,8% des Gesamtkapitals). Außerdem will die Stadt die Hafengesellschaft offenkundig zusätzlich mit einer Bürgschaft ausstatten und musste dazu die rechtliche Konstruktion zwischen Stadt und Gesellschaft („Betrauung“) umkonstruieren.

Nicht zuletzt wird als Ziel des Unternehmens nicht die Erwirtschaftung von Gewinn, sondern die Wirtschaftsförderung der Stadt Braunschweig durch Bereitstellung von Hafen- und Transport-Infrastruktur genannt.

Wir erkennen darin zumindest indirekte Hinweise auf mangelnde Rentabilität.

Die im Übrigen nicht gerade üppig ist. Die Relation zwischen Aufwand und Ertrag (Gewinnmarge) beträgt 3,7% (14.247.000 € Betriebsergebnis / 523.000 € Jahresergebnis). Würde man davon die Fördermittel abziehen, wäre der Verlust erheblich.

Download
Beteiligungsbericht der Stadt Braunschweig, Seiten 55-61
Abschnitt des Beteiligungsberichts der Stadt Braunschweig, der sich mit dem Braunschweiger Hafen befasst
AusBeteiligungsberichtBraunschweig2019S5
Adobe Acrobat Dokument 1.4 MB

Wir sehen, dass sich die Häfen auf ihren Homepages zwar als starke Unternehmen darstellen. Aber schon ein relativ oberflächlicher Blick auf die Zahlen zeigt das Gegenteil. Die Außendarstellung scheint da ein wenig beschönigend zu sein.

Im Fall Braunschweig wird sogar bestätigt, dass der Hafen nicht dazu dient, Gewinne zu erwirtschaften, sondern Teil der Wirtschaftsförderung ist - also eine Subventionierung der lokalen Industrie.

Wir finden das problematisch. Für die Finanzierung von Kindergärten, öffentlichem Nahverkehr oder Schulbauten stellen sich die Kommunen ziemlich bockig an, obwohl es Pflichtaufgaben sind. Mittel zur Wirtschaftsförderung scheint hingegen geschmeidiger zu fließen, dabei ist das tatsächlich keine Pflicht, sondern eine freiwillige Leistung der Kommunen.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Rolf (Donnerstag, 20 Juni 2019 18:57)

    vielen Dank für die schnelle und umfassende Antwort. Das ist interessant zu lesen. Das wirft ein anderes Licht auf den Hafen Bohmte.