Bericht über die gestrige Ratssitzung in Bohmte
Nachdem in der regionalen Presse wiederholt sehr laut und sehr heftig über die Ratssitzung vom 4. Juni geschimpft worden war ( ... "man kann sich schämen ...") und nachdem die Bürgermeisterin angekündigt hatte, den dort beschlossenen Ausstieg aus der Containerhafenplanung auszusetzen und juristisch prüfen zu lassen, haben wir mit hohen Erwartungen die gestrige Sitzung des Bohmter Gemeinderates besucht.
Erhitzt hatten sich die Gemüter an dem Ratsbeschluss vom 4.6.2020, den vor Gericht unterlegenen B-Plan Nr. 99 (Containerhafen) NICHT durch einen neuen B-Plan zu ersetzen. Jedenfalls solle kein Plan aufgestellt werden, der einen Containerhafen beinhaltet. Stattdessen solle der Containerumschlag auf dem Gelände des ehemaligen Zerhusen-Hafens (B-Plan Nr. 109) erfolgen. Dafür solle zusätzlich ein Bahnanschluss geplant werden.
Bürgermeisterin Strotmann (unabhängig) rechtfertigte sich: Sie habe die Befürchtung, dass der Beschluss Schadensersatzforderungen in erheblicher Höhe nach sich ziehen würde. Daraufhin habe sie einen ersten Gutachter befragt, der sich aber nicht sicher war, ein zweiter ebenfalls nicht, woraufhin sie sich an die Kommunalaufsicht des Landkreises Osnabrück gewandt habe, die sich ihrerseits als befangen erklärt und die Aufgabe an das Niedersächsische Innenministerium weitergeleitet habe. Dort liege die Anfrage nun. Da ihre Befürchtung nicht entkräftet worden war, fühle sie sich bestätigt, den Ratsbeschluss auszusetzen.
Thomas Rehme (SPD) fand, das Vorgehen der Bürgermeisterin sei "ein starkes Misstrauen gegenüber der Ratsmehrheit", die Bürgermeisterin müsse die Ratsentscheidung akzeptieren, die eingeholten Rechtsgutachten seien "mit heißer Nadel gestrickt" und dem Rat verspätet zugesandt worden. Eine demokratische Ratsentscheidung derartig zu torpedieren, sei nicht okay.
Hunno Hochberger (Die Linke) fand es geradezu "kafkaesk", dass die Kommunalaufsicht in ihren Prüfberichten seit vielen Jahren vor dem finanziellen Risiko drohe, das in der Beteiligung der Gemeinde Bohmte an der Hafen-Wittlager-Land GmbH liege. Jetzt, da die Gemeinde dieser Warnung tatsächlich folge und das Risiko dieser Beteiligung verringern wolle, fechte ebengerade diese Kommunalaufsicht diese Entscheidung an!
Marcus Unger (CDU) bekräftigte, die CDU sei weiterhin davon überzeugt, dass ein Containerhafen an dem Standort eine gute Wahl und die richtige Entscheidung sei. Er sei zwar bereit, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren; was ihn allerdings geärgert habe, sei, dass die "kommunale Familie", also die an dem Projekt beteiligten Kommunen, vor den Kopf gestoßen worden und die Entscheidung nicht vorher mit den Beteiligten diskutiert worden sei. Die Entscheidung sei "unfair" zustande gekommen.
Lars Büttner (Die Linke) kritisierte, dass eine Beteiligung an einem kommunalen Wirtschaftsbetrieb auch diejenigen "in Geiselhaft" nehmen würde, die gegen diese Beteiligung seien. So begrenze die Argumentation, dass mit dem HWL-GmbH-Gesellschaftervertrag eine Treuepflicht gegenüber dieser GmbH verknüpft sei, die freie Entscheidung der Ratsmitglieder. Das dürfe nicht sein. Er verstehe ja, dass sich die Bürgermeisterin absichern wolle, sei aber davon überzeugt, dass der Beschluss vom 4.6. richtig sei und Bestand habe.
Dr. Joachim Solf (Grüne) erinnerte daran, dass die ursprüngliche HWL-Planung sowieso Container- und Schüttgutumschlag an einem Standort vorgesehen habe. Das sei weiterhin auch nach dem Beschluss vom 4.6. möglich. Insofern könne die HWL-GmbH daraus jetzt keine Schadensersatzforderung konstruieren. Die Pressekampagne ("... als Bohmter schämen ...") sei sehr unpassend gewesen.
Arnd Sehlmeyer (CDU) reagiert sich vor allem an dem am 4.6. beschlossenen Zusatzantrag der SPD ab, für den Hafen einen Bahnanschluss zu planen. Er zeigt sich unbeirrt: Ein Bahnanschluss sei überflüssig, die bisherige Planung sei gut und richtig, der Beschluss vom 4.6. grundfalsch.
Im ganzen Betrieb ging ein Änderungsantrag der SPD nahezu unter, mit weiteren Aktionen zum Hafen zu warten, bis Rechtssicherheit über den B-Plan Nr. 109 bestehe. Der wird nämlich ebenfalls vor dem OVG beklagt.
Was unter Enthaltung der CDU dann auch beschlossen wurde.
Was bedeutet das?
Die CDU-nahe Bürgermeisterin war sehr bestrebt, den Eindruck zu vermeiden, dass sie eine mit SPD-Grünen-Linken-Mehrheit beschlossene Ratsentscheidung torpediere, weil ihr die Zielrichtung des Beschlusses nicht passe, und stellte ihr Handeln quasi als Sachzwang dar: So lange sie Bedenken habe, dass dieser Beschlus unrechtmäßig sei, sei sie nach dem Kommunalverfassungsgesetz verpflichtet, so zu handeln.
Also hatte sie Bedenken.
Trotz ihrer bemühten Neutralität konnte sie ihren Ärger aber doch nicht ganz verbergen. Der Rat sei am 4.6. überrumpelt worden, indem ohne Vorwarnung "mit dem Antrag um die Ecke gekommen" sei, womit ihre vorherige Argumentation (dass sie keine Kritik an einer demokratisch entstandenen Entscheidung übe) dann doch etwas litt.
Diese Position wäre sowieso nicht haltbar. Der am 4.6. angenommene Antrag der Grün-Linken-Fraktion datiert vom Januar 2020 und bereits auf der Ortsratssitzung im Februar diskutiert, abgelehnt und ordnungsgemäß an den Rat weitergeleitet worden. Einzig der Zusatzantrag der SPD, einen Bahnanschluss mitzuplanen, war erst zur Ratssitzung eingebracht worden, wurde aber (außer von Herrn Sehlmeyer) von niemandem kritisiert.
Es scheint, dass weder die CDU, noch die ihr nahestehende Bürgermeisterin den Ratsbeschluss akzeptieren wollen, ihre Weigerungen aber nicht direkt formulieren, sondern stattdessen eine Stellvertreterkritik an dem Zustandekommen der Entscheidung üben. Der Rat sei "überrumpelt worden", man hätte vorher darüber reden müssen, habe die Nachbarn brüskiert und gehe das Risiko einer Schadensersatzforderung ein.
Wenn die CDU schon eine Diskussion "mit den Beteiligten" im Vorfeld einer Ratsentscheidung fordert, warum hat sie dann nie das Gespräch mit uns, den betroffenen Bürgern gesucht?
Offenkundig gehören wir für die CDU nicht zu dem Kreis der Beteiligten!
Was auf ein schwieriges Verhältnis der CDU zu den Themen Öffentlichkeits- und Bürgerbeteiligung hindeutet.
Und die Auffassung, die Entscheidung hätte in welcher Runde auch immer vor der Ratssitzung ausdiskutiert werden sollen, deutet auf ein erstaunlich bizzares Verständnis der Ratsarbeit hin. Ratsentscheidungen werden eben nicht von willkürlich zusammengekommenen Gruppen in Hinterzimmern getroffen, sondern von gewählten Ratsmitgliedern auf ordnungsgemäßen Sitzungen!
Wir konnten eine Sitzung verfolgen, in der sich die CDU äußerst schwer tat, den am 4.6. gefällten Beschluss zu akzeptieren. In ihrem ganzen Ärger vergas sie alle Vorsicht und ließ grundsätzliche und bemerkenswerte Demokratiedefizite erkennen.
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