Neuer Hafen-Bebauungsplan und neue Pläne für Gut Arenshorst
Zwei Angelegenheiten, mit denen sich der Ausschuss am 30. Juni beschäftigte, sind von größerem Interesse.
Erstens natürlich die Hafenplanung.
Im Jahr 2015 hatte die Gemeinde Bohmte den Bebauungsplan Nr. 99 „Hafen und Industriegebiet“ aufgestellt, der sowohl den ehemaligen Zerhusen-Hafen westlich, als auch den geplanten Containerhafen östlich des Wendebeckens umfasste. 2018 war dann der westliche Teil dieses Plans durch den B-Plan Nr. 109 ersetzt worden. Bei dessen Aufstellung hatte die Gemeinde Bohmte ausdrücklich den Umschlag von Containern ausgeschlossen, um ihren geplanten Containerhafen östlich des Wendebeckens – an den sie damals noch glaubte – zu schützen. Sie hatte einfach ihre administrativen Befugnisse genutzt, um keine Konkurrenz in direkter Nachbarschaft (Zerhusen) zuzulassen.
Inzwischen ist der B-Plan Nr. 99 vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg für ungültig erklärt worden, woraufhin der Gemeinderat beschloss, auf einen gesonderten Containerhafen „vorerst“ zu verzichten und auf dem Gelände des ehemaligen Zerhusen-Hafens nicht wie ursprünglich geplant nur Massen-, Schütt- und Schwergüter, sondern auch Container umzuschlagen.
Um diesen Beschluss umsetzen zu können und weil der B-Plan Nr. 109 ebenfalls vor Gericht angefochten werde, erklärte Lutz Birkemeyer, erster Gemeinderat der Gemeinde Bohmte, sei nun ein neuer Bebauungsplan notwendig, der den damaligen Containerausschluss aufhebt. Details über diesen neuen Plan wurden nicht bekannt gemacht.
In der Diskussion schlug Joachim Solf (Grüne) vor, das OVG und die betroffenen Bürger zu fragen, was sie an der Planung störe (z.B. Lärmentwicklung oder Gebäudehöhen), damit der neue Plan nicht wieder vor Gericht lande. Auch fragte er nach den Konsequenzen der Überplanung auf das laufende Gerichtsverfahren. Er befürchte einen Präzedenzfall mit Schadensersatzpflicht, „falls wir Mist bauen“.
Ortsbürgermeister Arnd Sehlmeyer (CDU) bestätigte, dass der neue B-Plan jetzt nötig sei, um den mühsam errungenen Beschluss vom März d.J., auf einen gesonderten Containerhafen zu verzichten, nun auch endlich umsetzen zu können. Dazu sollten jetzt die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Es sei dringend geboten, dass die „Industrieruine“ am Hafen so schnell wie möglich verschwinde. Den Normenkontrollantrag gegen den B-Plan Nr. 109 könne die Gemeinde gar nicht beenden, dazu müsse der Kläger seine Klage zurückziehen.
Auch Lars Büttner (Die Linke) fragte nach den Konsequenzen, die die neue Planung für das laufende Normenkontrollverfahren gegen den B-Plan Nr. 109 habe, und meinte, dass diese Planung schon sehr viel früher möglich gewesen wäre.
Ausschussvorsitzender Mathias Westermeyer (CDU) hoffte, dass das OVG zu Gunsten der Gemeinde Bohmte entscheide und man sich nur um den Containerumschlag, und nicht noch um andere Sachen kümmern müsse.
Lutz Birkemeyer antwortete auf die Fragen der Diskussion:
Die Argumente, die die Hafengegner in ihrer Klageschrift angeführt hätten, würden selbstverständlich in den neuen B-Plan einfließen und ebenso selbstverständlich würden die Bedenken betroffener Bürger innerhalb des anstehenden Bauleitplanverfahrens berücksichtigt und abgewogen. Aber ebenso hätte die Gemeinde das hoheitliche Recht, Planungen auf ihrem Gebiet vorzunehmen und dabei vorherige Pläne zu überplanen, wie bereits der B-Plan Nr. 99 den B-Plan „Industrie- und Gewerbegebiet Mittellandkanal III“ ersetzt habe. Daraus würde sich kein Präzedenzfall mit eventueller Schadenersatzpflicht ableiten lassen. Wie es mit dem Klageverfahren gegen den B-Plan Nr. 109 weitergehe, wüsste er auch nicht.
Der Bauausschuss entschied bei zwei Enthaltungen, die Aufstellung des neuen Bebauungsplans zu empfehlen.
Auf der einen Seite klingt das nach einem Eigentor der Gemeinde, als sie bei der Aufstellung des B-Plans Nr. 109 den damals noch separat geplanten Containerhafen schützen wollte und dazu den Umschlag von Containern auf dem Gebiet des Plans Nr. 109 untersagte, was ihr jetzt auf die Füße fällt.
Andererseits rechtfertigt die Container-Einschränkung eigentlich nicht den Aufwand, dafür einen kompletten Bebauungsplan neu aufzustellen. Denn den Containerumschlag hätte man auch in einem „vereinfachten Verfahren“ nach §13 Baugesetzbuch ermöglichen können, ähnlich wie die Gemeinde Ostercappeln eine in ihrem B-Plan Nr. 57 ursprünglich geplante „kleinteilige Bebauung“ für ortsansässige Betriebe nachträglich so änderte, dass die ortsfremde Fa. Häcker ihren gigantischen Klotz in Venne hinstellen konnte.
Es scheint daher realistischer, dass das Eigentor nur eine Ausrede ist, um den angefochtenen B-Plan Nr. 109 zurückzuziehen. Dazu passt, dass sich die Gemeinde Bohmte nicht dazu äußert, wie es denn nun mit der anhängigen Klage weitergeht. Die Aussage des Ortsbürgermeisters Sehlmeyer, nur der Kläger könnte mit einem Klagerückzug das Verfahren beenden, ist nicht richtig. Indem die Gemeinde den strittigen B-Plan neu überplant, hebt sie den Anlass der Auseinandersetzung auf und lässt die Klage ins Leere laufen. Offenkundig will sie das Verfahren beenden, ohne dass es nach einer Niederlage aussieht. Denn ebenso offenkundig rechnet sie mit einer Niederlage.
Dem will sie nun mit einem neuen B-Plan zuvorkommen. Doch auch der neue Plan muss einer Überprüfung standhalten können. Da ist es ein bisschen schade, dass sich sowohl die HWL-GmbH als auch die Gemeinde offenen Gesprächen widersetzen, bei denen strittige Punkte bereits vorab geklärt werden könnten. Der lapidare Hinweis auf Beteiligungsrechte innerhalb des Bauleitverfahrens ist wenig hilfreich, denn bislang hat die Gemeinde Bürgereinwände immer recht rigoros in ihrem Interesse abgewogen. Und das Beharren auf hoheitlichen Machtanspruch ist auch nicht wirklich zeitgemäß.
(Kleine Anmerkung am Rande: Wenn Herr Sehlmeyer sich durch die „Industrieruine“ am Hafen gestört fühlt, sollte er sich überlegen, dass es die HWL-GmbH ist, an der die Gemeinde Bohmte zu 37,5% beteiligt und deren eifrigste Befürworterin die Bohmter CDU ist, die das Hafengeschäft eingestellt und die Gebäude dem Verfall preisgegeben hat. Die Ruine ist also eine mehr oder weniger direkte Folge seiner Entscheidung.)
Das zweite interessante Thema der Sitzung waren die Neuplanungen für das Gut Arenshorst (Aufstellung der B-Pläne Nr. 218 und 219).
Nachdem Anfang 2020 der Betrieb des Golfplatzes Gut Arenshorst eingestellt wurde, sind anscheinend umfangreiche aber nichtöffentliche Überlegungen zur Nachnutzung angestellt worden. Eigentümerin des Gutes ist die Günther Claas Vermögensverwaltungs-GmbH & Co. KG. Die Fa. Claas ist eine weltweit agierende Herstellerin großer Landmaschinen (u.a. Mähdrescher).
Es ist dort geplant, ein Forschungszentrum zu etablieren, das sich technischen Innovationen im Bereich der Landwirtschaft widmen soll. Dazu sind Kooperationen mit der Hochschule Osnabrück, sowie die Ansiedlung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz geplant. Es soll eine 35 Hektar große Freiflächen-PV-Anlage gebaut werden, die elektrischen Strom erzeugen und gleichzeitig landwirtschaftliche Nutzungen ermöglichen soll. Es sollen Gewächshäuser und landwirtschaftliche Forschungsflächen entstehen. Im Gegenzug dazu sollen Teile der Gutsflächen bewaldet und extensiv genutzt werden.
Diese Bauausschusssitzung war das erste Mal, dass öffentlich darüber berichtet wurde.
Gleichzeitig soll das Forschungszentrum auf die Fläche der ehemaligen Gärtnerei Höing in Stirpe an der B51 ausgedehnt werden. Dort soll ein „RegioHof Stirpe“ entstehen, der sich mit Energieerzeugung (Photovoltaik, Wärmepumpen, Erdwärme, Abwärme) und der Erzeugung von Agrarprodukten beschäftigt, sowie verschiedene Dienstleistungen anbietet („grüne“ Tankstelle, Verkaufsmarkt für regionale Produkte, Café / Bistro, Freizeitgestaltungsmöglichkeiten). Außerdem soll eine (Muster-)Wohnsiedlung entstehen.
In der Diskussion wurden die Pläne sehr gelobt. Arnd Sehlmeyer betonte, dass damit das Bohmter Nahwärmenetz unterstützt und innovative Wärme für das benachbarte Baugebiet angeboten werden könne. Joachim Solf befürwortete das Projekt als tatsächlich zukunftsorientiert im Gegensatz zur Hafenplanung, die lediglich veralteten Vorstellungen folge. Er fragte nach der rechtlichen Zulassung von Freiflächen-PV-Anlagen. Auch Bodo Lübbert (CDU) hatte Bedenken, dass Freiflächen mit PV-Modulen „zugepflastert“ würden und plädierte dafür, möglichst viel Grün zu erhalten.
Es scheint, dass die Überlegungen zur Nachnutzung von Gut Arenshorst bereits sehr weit fortgeschritten sind. Und es scheint, dass alle Ausschussmitglieder voll des Lobes darüber sind.
Wir möchten trotzdem auf das ein oder andere Haar in der Suppe hinweisen. Derart weit fortgeschrittene Pläne derart abgeschirmt von der Öffentlichkeit zu entwickeln, deutet nicht unbedingt auf eine große öffentliche Verankerung des Projekts hin. Es scheint, dass die Projektentwickler möglichst ungestört agieren woll(t)en. Im Gegenzug wird für die Öffentlichkeit der „RegioHof Stirpe“ eingerichtet, wo Forschungsergebnisse fast wie in einem Erlebnispark zusammen mit einer Tankstelle, einem Bistro, einem Verkaufsmarkt und einer Mustersiedlung präsentiert werden sollen. Das klingt eher nach Paternalismus als nach Partizipation. Wenn das Projekt also wirklich zukunftsorientiert sein will, dann bitte nicht nur auf einer rein technischen Ebene, sondern richtig. Also auch mit der gebotenen gesellschaftlichen Teilhabe!
Wir möchten auch davor warnen, das Engagement der Fa. Claas für eine innovative Landwirtschaft mit der Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu verwechseln. Die Fa. Claas hat von der Industrialisierung der Landwirtschaft sehr stark profitiert, deren Mängel nun immer stärker hervortreten. Die Frage nach einer grundsätzlichen Kurskorrektur in der Landwirtschaft würde die Grundlage der Firma erschüttern. Daher ist eher damit zu rechnen, dass das Projekt Maßnahmen erforscht, die eben keine grundsätzlichen Kurskorrekturen benötigen oder gar bewirken.
Es stellt sich daher die Frage, wie unabhängig das geplante Forschungszentrum sein kann. Die Ansiedlung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz scheint da eine gewisse Unabhängigkeit zu garantieren. Wobei aber das DFKI keine öffentliche wissenschaftliche Forschungseinrichtung, sondern eine gemeinnützige GmbH ist, die private und öffentliche Anliegen miteinander verknüpft (Public-Private Partnership – PPP), in der u.a. die Fa. Claas wiederum im Aufsichtsrat vertreten ist. Es entsteht der Eindruck, dass die Fa. Claas bei diesem Projekt möglichst viele Fäden in der Hand behalten will.
Und dann stellt sich noch die Frage, ob die Gemeinde Bohmte mit einem derartigen Schwergewicht vielleicht nicht doch etwas überfordert ist. Wenn sich dort tatsächlich ein privat betriebenes wissenschaftliches Forschungszentrum in der geplanten Größenordnung etabliert, entsteht dort ein enormes Machtzentrum. Dass diese Macht bereits in der Planungsphase kein Sterbenswörtchen an die Öffentlichkeit gerichtet hat, lässt vermuten, dass Partizipation auch in Zukunft kein Schwerpunkt sein wird.
Was wiederum die Befürchtung nährt, dass dort keine gesellschaftlichen Diskussionen über die Zukunft der Landwirtschaft geführt werden, sondern lediglich technische.
Was ein bisschen schade wäre, denn was nützte die schönste Technik, wenn sie die falschen Fragen beantwortet?
Aber grundsätzlich ist ein solches Forschungszentrum eine ganz erheblich bessere Wahl als ein Industriehafen.
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Willy (Montag, 12 Juli 2021 12:40)
Man kann überall Haare in Suppen finden. Ihr solltet nicht alles immer so schlecht machen. Auch den Hafen nicht. Ist doch toll was für ein moderner Hafen da entstehen soll. Mit Solarenergie und Wasserstoff. Bohmte wird Vorreiter für eine bessere Zukunft und ihr mäkelt immer noch herum. Ich glaube ihr wollt einfach nur Stunk machen!
Bauer (Mittwoch, 14 Juli 2021 07:30)
Zu Willy möchte ich anmerken: seit wann ist der Staat der bessere Unternehmer? In Bohmte ist man nur Vorreiter im Geldvernichten, und bei der volkseigenen Hafengesellschaft hat niemand Interesse daran Geld zu erwirtschaften. Das ist elegant gelöst : Für das fehlende Geld arbeitet der Steuerzahler! Honecker hätte seine Freude daran gehabt.
Und zu Stichwort „ Stunk machen“ möchte ich sagen: Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das sich gegen die Zerstörung seines Lebensraumes durch Artgenossen wehren kann.
ND (Mittwoch, 14 Juli 2021 19:35)
Der "Zuklunftshafen" ist überflüssig, ob mit Solarenergie und Wasserstoff oder ohne. Es gibt keinen Nachweis seiner Berechtigung oder Notwendigkeit. Ich habe sogar den Eindruck, je stärker die angeblichen Vorteile des "Zukunftshafens" in den Vordergrund gerückt werden, desto mehr soll davon abgelenkt werden, dass es nicht einmal eine Potenzialanalyse dafür gibt. Da wird eine Menge Geld ohne Nachweis der Notwendigkeit ausgegeben.
Hab ich letztens gelesen:
"Elektroautos retten nicht das Klima - sie retten die Automobilindustrie".
HL (Donnerstag, 15 Juli 2021 13:17)
Erstmal vielen Dank für die Informationen. Grundsätzlich sind es ja spannende Perspektiven. Als interessierter Bürger und teilweise auch Betroffener würde es mich jedoch brennend interessieren, in wie weit bei den Neuplanungen die bekannte Verkehrsproblematik (insb. Überlastung Knotenpunkt B65 /B51) berücksichtigt wird / werden kann. M.E. reicht es hier keinesfalls aus, auf die Zuständigkeiten einer anderen Behörde zu verweisen (so im Rahmen der Abwägung vorheriger Bebauungsplanverfahren passiert). Ein noch höheres Verkehrsaufkommen und insb. noch mehr Schwerlastverkehr würde vermutlich nicht nur für den unmittelbaren Knotenpunkt B65/B51den endgültigen Kollaps bedeuten, sondern insbesondere auch für Ortsdurchfahrt Wehrendorf, die Anwohner entlang der Verkehrsadern und die zahlreichen Pendler. Konsequenterweise wäre doch dann eigentlich z.B. die Ortsumgehung Wehrendorf im Rahmen Neutrassierung der Bundesstraße 65 als eine Teillösung zu begrüßen. Obwohl ja offenbar nicht zuständig hat sich die Mehrheit im Bohmter Rat aber dennoch Anfang 2019 gegen diese Lösung auf dem Bohmter Gemeindegebiet ausgesprochen. Wäre doch schön, wenn zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden, damit solche Projekte tatsächlich erfolgreich werden können...
Martin Becker (Sonntag, 18 Juli 2021 10:07)
@ HL:
Ich stimme Dir / Ihnen zu, wer einen Hafen plant, muss auch die Abläufe dafür planen. Also die Transportmöglichkeiten auf der Wasser- und auf der Landseite.
Doch die Wasserseite ist zumindest beim Containertransport nicht wirklich durchdacht worden. Was den Landweg angeht, passt der Hafen zumindest in die Strategie, die B51 von Belm bis Leckermühle durchgehend 4-streifig auszubauen. Wenn das geschieht, wird der Kreisel Leckermühle als Autobahnkreuz ausgebaut werden müssen.